Venezuela, 3. Dezember 2023 : Rückweisung des Schiedsspruches von Paris
Gebiet | Venezuela | |
┗━ Stellung | unabhängiger Staat | |
Datum | ||
Vorlage | Rückweisung des Schiedsspruches von Paris | |
┗━ Fragemuster | Entscheidungsfrage | |
┗━ Gesetzliche Grundlage | Plebiszit → durch Parlament → nicht bindend → Stufe: Gesetz | |
Ergebnis | angenommen | |
┗━ Mehrheiten | gültige Stimmen | |
Stimmberechtigte | 20'694'124 | |
Stimmbeteiligung | 10'555'092 | 51,01% |
Stimmen ausser Betracht | 29'278 | |
Gültige (= massgebende) Stimmen | 10'525'814 | auf die gültigen Stimmen bezogen |
┗━ Ja-Stimmen | 10'315'485 | 98,00% |
┗━ Nein-Stimmen | 210'329 | 2,00% |
Bemerkungen |
Ab 1616 besiedeln Niederländer Gebiete westlich des Essequibo und organisieren
sich mit der Zeit in den drei Kolonien Berbice, Essequibo und Demerara. 1777
beansprucht das Generalkapitanat von Venezuela alle Gebiete westlich des
Essequibo für die spanische Krone, kontrolliert sie aber nicht. Venezuela
erklärt sich 1810 für unabhängig und löst sich 1818 endgültig von Spanien.
Sowohl als Teil Grosskolumbiens von 1819 bis 1830, als auch später als eigener
Staat übernimmt es den spanischen Anspruch. Die Niederlande treten 1814 ihre
drei Kolonien an Grossbritannien ab, das sie 1831 in der Kronkolonie
Britisch-Guayana zusammenfasst. Die britische Regierung beauftragt 1840 den
deutschen Naturforscher Schomburgk mit der Grenzziehung zu Venezuela, das die
Schomburgk-Linie nie anerkennt. Der Schiedsspruch von Paris vom
spricht den Grossteil des umstrittenen Gebiets Britisch-Guayana zu, nur die
Mündung des Orinoco fällt an Venezuela. Das Gebiet westlich des Essequibo,
von Venezuela als Guayana Esequiba bezeichnet, macht zwei Drittel der Fläche
Britisch-Guayanas aus.
Als sich Ende 1962 die Unabhängigkeit Britisch-Guayanas abzeichnet, erneuert Venezuela seine Ansprüche und erklärt den Schiedsspruch von 1899 für ungültig. Das Genfer Abkommen vom sieht eine gemischte Kommission vor, die während vierer Jahre eine Lösung suchen soll. Britisch-Guayana wird am als Guyana unabhängig. Die Kommission erreicht nichts, und 1970 wird der Konflikt für 12 Jahre auf Eis gelegt. Danach verfolgt Venezuela seinen Anspruch fürs erste nicht weiter. 2015 werden in den Küstengewässern vor Essequibo Erdölvorkommen entdeckt, die Guyana dem US-Konzern Exxon zur Ausbeutung überlassen will. Auf Anraten der UNO legt Guyana am den Grenzstreit dem Internationalen Gerichtshof (IGH) vor, aber Venezuela lehnt die Teilnahme am Verfahren ab. Der venezolanische Präsident erlässt am mit Unterstützung der Opposition Dekret Nr. 4415, das den Anspruch Venezuelas erneuert. Am fällt die Nationalversammlung den Grundsatzentscheid über eine Volksabstimmung, Präsident Maduro unterstützt am diesen Beschluss. Am einigen sich Regierung und Opposition u. a. über Wahlen in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres; die Nationalversammlung ratifiziert zwei Tage danach diese Einigung. Am reicht das Parlament den Beschluss vom formell bei der Wahlbehörde (Consejo Nacional Electoral) ein, der den Abstimmungstag festlegt. Die Kampagne beginnt an folgenden Tag, obwohl die Fragen noch nicht bekannt sind. Am legt, der CNE mit Beschluss Nr. 231023-0109 der Wortlauf der fünf Fragen fest und unterbreitet sie dem Verfassungsgericht (Sala Constitucional del Tribunal Supremo de Justicia) zur Prüfung. Diese gibt am grünes Licht. Auf Antrag der Nationalversammlung hält das Verfassungsgericht am ausdrücklich fest, die Volksabstimmung stehe unter dem Schutz der Verfassung. In der Probeabstimmung (simulacro) vom meldet der CNE eine noch nie dagewesene Beteiligung. Guyana ruft den IGH am auf, die Volksabstimmung in Venezuela zu verhindern und bittet die IPU und die CARICOM um Hilfe. Dazu fordert Guyana die venezolanische Bevölkerung zu einem Boykott auf und beschliesst eine Resolution gegen Venezuelas Vorgehen. Der IGH heisst die Klage am gut, indem er Venezuela auffordert, seine Aktionen zur Eroberung Essequibos bis auf weiteres einzustellen. Art. 10 der venezolanischen Verfassung von 1999 (wie auch alle früheren) übernimmt den Gebietsanspruch des ehemaligen spanischen Generalkapitanats für das heutige Venezuela. Konsultatives Parlamentsplebiszit gemäss Art. 71 der Verfassung. Die 28'027 Urnen sind von bis geöffnet. Gewählt wird mit Maschinen, die am Ende einen Zettel ausdrucken, der in die Urne gelegt wird. Die vorläufige Stimmbeteiligung vom Sonntag beträgt 10'554'320, am Montag dann 10'431'907. Der CNE überreicht diese Zahlen dem Parlament und dem Präsidenten, wobei erst 98,16% der Wahlakten verarbeitet sind. Die Opposition bezeichnet die Zahlen des CNE als gefälscht, in Wirklichkeit betrage die Stimmbeteiligung nur 11%. Der CNE veröffentlicht kein Endergebnis. Die Zahlen beziehen sich auf 99,89% der Wahlakten vom , 19.01 Lokalzeit. Das Parlament stimmt am einstimmig dem "Ley Orgánica para la Defensa del Esequibo" zu, die die Ergebnisse umsetzen soll; Präsident Maduro setzt es am in Kraft. Das Gesetz sieht u. a. die Schaffung des 24. Bundesstaates Guayana Esequiba vor. Maduro bezeichnet die Volksabstimmung nachträglich mit Verweis auf Art. 70 der Verfassung als bindend, aber Beschluss Nr. 231021-0108-1 des CNE zur Abhaltung stützt sich nur auf Art. 71. Damit weist Venezuela den Grenzverlauf zum damaligen Britisch-Guayana, den der Schiedspruch von Paris 1899 "in betrügerischer Art" festgelegt hat, formell zurück.
Abstimmungsfrage: | |
Gleichzeitig mit | ||
Quellen |
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Vollständigkeit | vorläufiges Endergebnis | |
Letzte Änderung |